„Landesgartenschau?“ Mit dem Begriff können meine Kinder wenig anfangen, als wir uns auf den Weg nach Überlingen machen. Ich verspreche vollmundig einen großartigen Ausflug zu tollen Spielplätzen, herrlichen Blumen und natürlich einem leckeren Eis. Und füge hinzu: „So war das jedenfalls damals, als ich als Kind mal auf einer Landesgartenschau war.“ Denn so richtig sicher bin ich mir dann doch nicht, ob mein Plan aufgehen wird.

Auf der Landesgartenschau Überlingen gibt es mehr als Blumen und Pflanzen
Der Uferpark ist perfekt für Familien geeignet
Es ist mehr dem Zufall als meiner akribischen Vorbereitung zu verdanken, dass wir ausgerechnet an der Servicestation „Bahnhof Therme“ unsere Tickets holen. Die freundliche Frau am Schalter erklärt mir auf meine bange Frage, wo ich denn mit einem Fünf-, einer Neun- und einem Elfjährigen am besten mit unserer Erkundung starte, dass wir bei ihr goldrichtig sind. Denn nur 100 Meter Fußweg entfernt von uns befindet sich der Eingang zum „Uferpark“. „Das ist das perfekte Gelände für Sie. Sie werden sehen!“, verspricht sie. Sie behält recht.
Jedem sein Plätzchen auf Sitzsäcken & Co.
Kaum haben wir unsere Tickets vorgezeigt und nachgewiesen, dass unsere Corona-Tests wenige Stunden zuvor negativ ausgefallen sind, rennen meine Kinder los. Sie haben quietschbunte Sitzsäcke mitten auf einer Wiese entdeckt, in die sie sich erst einmal hineinwerfen, als hätten sie eine schweißtreibende mehrstündige Wanderung hinter sich. Ich gönne ihnen die kleine Pause und sehe mir den Geländeplan genauer an. Doch er lässt nicht im Geringsten erahnen, welch Kinderparadies der Uferpark bereithält. Bis die Sitzsäcke getestet und die Seilbahn nebenan ausführlich genutzt ist, ist die erste halbe Stunde bereits vergangen. Und wir haben noch keine 25 Meter auf dem Gelände zurückgelegt. Ich treibe meine Kinder also an: „Wir wollen doch alles sehen!“.



Zeitgenössische Kunst zum Klettern
Die drei rennen voraus, ich spaziere hinterher. Soooo eilig habe ich es dann doch wieder nicht. Noch nicht. Ich bin erstmal am Staunen. Von der Insel Mainau bin ich eigentlich Blütenpracht in allen Farben und Formen gewohnt. Und doch bleibt mir auf der Landesgartenschau der Mund offenstehen. Den grünen Daumen hat in meiner Familie mein Bruder geerbt. Bei mir verrotten sogar die Grünlilien. Wie sich eine solche Blüten- und Pflanzenpracht ziehen lässt, und das auch noch unter freiem Himmel, ist mir ein Rätsel. Den Kindern sind die Blumen egal, sie haben ein Holzpferd am Wasser entdeckt und helfen sich gerade gegenseitig auf seinen Rücken. Der Fisch, den die Kunstinstallation „Der letzte Fisch“ des schweizerisch-ungarischen Künstlers Heinrich Schorno hinter sich herzieht, ist ihnen unheimlich: Aus seinem aufgeschlitzten Bauch quellen Autoreifen, Computer und vieles andere mehr.


Klettern, rennen und Insekten lauschen
Meine anfangs skeptischen Kinder entpuppen sich schnell als Landesgartenschau-Fans. Und das, obwohl das Wetter durchwachsen ist und wir mehrere kleine Regenschauer abbekommen. Den 1750 Quadratmeter großen Spielbereich mit seinem 60 Meter langen Trail in Fischerboot- und Fangnetzoptik finden sie großartig. Den Ausguck auf fast drei Metern Höhe auch. Beim Schwingen auf den riesigen Schaukeln haben sie den Eindruck, sie könnten mit einem Hops in den Bodensee springen. Hinter der Goldbacher Silvesterkapelle entdecken sie ein Paradies für Insekten und außerdem die bequemsten Holzstühle, auf denen sie jemals in ihrem Leben gesessen haben. O-Ton! Zwei Eis für die Jüngsten und einen alkoholfreien Cocktail für den Ältesten gibt es natürlich auch noch, und zwar an der Beach Bar, die von Strandkörben und Liegestühlen umzingelt ist und echtes Urlaubsfeeling verbreitet.



Auszeit vom Trubel auf dem Kirchenschiff
Die Kinder, soviel steht fest, würden am liebsten im Uferpark übernachten. Ich hingegen möchte zumindest noch einen weiteren der insgesamt fünf Ausstellungsbereiche besuchen und mahne zur Eile. Als wir um kurz vor 18 Uhr am Kirchenschiff – ja, auch das gehört zur Landesgartenschau! – vorbeihetzen, hören wir Drehorgelmusik, die uns magisch anzieht. Eigentlich wollen wir „nur mal kurz gucken, wir wollen ja noch weiter“. Am Ende bleiben wir doch zur Andacht, die jeden Abend um 18 Uhr von einer anderen kirchlichen Gruppe gestaltet wird. Was mir in den ersten Minuten vorkommt wie eine Zwangspause, die meinen strikten Besichtigungsplan durchkreuzt, entpuppt sich als schönes Innehalten. „Meine Zeit liegt in deinen Händen“, spielt der Drehorgelmann passend dazu. Die Kinder werden später ihrem Vater erzählen, dass diese ruhigen 15 Minuten auf der ausrangierten Bodenseeautofähre zu den schönsten Erlebnissen des Tages gehört haben.
Pizza im Villengarten mit Blick auf den See
In die Villengärten und zu den schwimmenden Gärten neben der Überlinger Therme schaffen wir es dann doch noch. Die Kinder spielen in den 13 von Landschaftsarchitekten großartig gestalteten Schaugärten, dass wir im Lotto gewonnen haben und nun ein Haus mit Pool und Außenküche bewohnen. Ich hole derweil zwei Pizzen vom Imbiss, denn es ist fast 19 Uhr und die vier Stunden seit unserer Ankunft sind vergangen wie im Flug. Wir sitzen auf gemütlichen Gartenmöbeln neben „unserer“ Villa und lassen es uns schmecken. Im Anschluss fahre ich mit drei satten, glücklichen und durchbewegten Kindern nach Hause. „Wann fahren wir das nächste Mal zur Landesgartenschau?“, ist das letzte, was mein Jüngster vor dem Einschlafen fragt.
Heike Thissen lebt mit ihrer Familie in Konstanz. Schon als Kind wünschte sie sich, später einmal in der Vierländerregion zu wohnen – und das, obwohl sie im schönen Oberbayern aufwuchs. Ihren Traum von damals hat sie wahr gemacht und schreibt seither als Journalistin und Autorin am liebsten über die Bodenseeregion und das, was sie so besonders macht.