Im Technorama-Park experimentieren mit allen Sinnen

„Guck mal, genauso funktionieren Ölpumpen auch“, höre ich meinen Ältesten sagen. Er ist mit seinem kleinen Bruder schonmal vom Parkplatz vorausgelaufen zum Eingang des Technorama in Winterthur. Als ich dazustoße, stecken die Jungs schon mittendrin im Ausprobieren und Lernen. Dabei haben wir das Swiss Science Center noch nicht einmal betreten. Der Wasserspielplatz auf dem Vorplatz nimmt die Kinder bereits in Beschlag, bevor wir überhaupt richtig angekommen sind. Kein Problem, wir haben ja Zeit. Wobei …

Auf direktem Weg ins Grüne

Es ist nicht unser erster Besuch im Technorama und ich weiß aus Erfahrung, dass kein Tag des Jahres auch nur annähernd lang genug ist, um alles zu entdecken, zu erfahren und auszuprobieren, was die 6800 Quadratmeter Ausstellungsfläche hergeben. Doch da wir uns für heute vorgenommen haben, uns auf das neue Außengelände zu konzentrieren, bin ich optimistisch, dass wir alles schaffen, was es bietet. Nachdem wir unsere Rucksäcke eingeschlossen haben, nehmen wir Kurs auf den Außenbereich. Das stellt sich schonmal als Herausforderung dar. Denn um ins Draußen zu gelangen, muss erst einmal das Drinnen durchlaufen werden. Ich habe Mühe, die Kinder auf Kurs zu halten. Die Verlockungen in Form der Ausstellungsräume „Strom und Magnete“ und „Mechanikum“ sind einfach zu groß. Kurz bevor wir es zur Tür geschafft haben, fallen mir zwei Ganzkörper-Trockner auf, in denen Kinder mit nassen Klamotten und tropfenden Haaren sich fröhlich kreischend von warmer Luft umwirbeln lassen. Mein Gefühl sagt mir, dass wir da später auch noch stehen werden. Und ich werde recht behalten.

Draußen jetzt noch mehr entdecken

„Technorama Draussen“ heißt der neue Park, in dem die vier Kinder, mit denen ich heute unterwegs bin, die Kraft des Windes, die erstaunlichen Eigenschaften des Sonnenlichts und die Gewalt des Wassers hautnah erleben können. Auf rund 15.000 Quadratmetern unter freiem Himmel und auf der beeindruckenden, 130 Meter langen und 17 Meter hohen Wunderbrücke kommen seit Frühling 2021 die Naturphänomene erst so richtig zu Geltung. Insgesamt mehr als 30 Outdoor-Aktivitäten warten auf uns. Vielleicht war ich mit meinem „Wir haben ja Zeit“ doch etwas zu optimistisch. Schon an der ersten Station, die meine Jungs, meine Tochter und deren Freundin ansteuern, verweilen wir länger. Es ist das Boyo, ein umgekehrtes Jo-Jo. Es braucht ein paar Versuche, bis die Kinder den Dreh – im wahrsten Sinne des Wortes – raushaben. Dann läuft es wie am Schnürchen: Sie versetzen der Spule einen Extra-Drall und lassen sich dann am Haltegriff in die Höhe ziehen. Hoch und höher fliegen sie juchzend. Apropos fliegen: Beim Exponat „Mond-Spaziergang“ bekommen wir einen Eindruck davon, wie sich Hüpfen oder Springen auf dem Mond anfühlen muss. Die Schwerkraft ist hier dank einer schiefen Kegelwand, einem Sitz und einer Stange auf ein Sechstel reduziert – und entspricht damit der auf dem Mond. Auch hier lassen sich enorme Hüpfer und Sprünge machen!

Fliegen, flüstern und faulenzen

Während die Mädchen noch mit dem Boyo spielen, haben die Jungs bereits die Flüsterstrecke entdeckt. Über einen Abstand von 40 Metern können sie sich anhand von zwei überdimensional großen Satellitenschüsseln flüsternd unterhalten: Fängt einer der Hohlspiegel Schallwellen auf, bündelt er diese im Brennpunkt vor der Spiegelmitte, was die Schallwellen so verstärkt, dass die Worte des anderen gut zu hören sind. Doch bevor ich dazu komme, ihnen zu erklären, wie die Sache funktioniert, sind sie schon weitergerannt. Ein überdimensional großer Wasserhahn scheint mitten in einem Becken zu schweben und ununterbrochen Wasser auszuspucken, das von nirgendwo her zu kommen scheint. Während der 6-Jährige noch Zauberei in Erwägung zieht, weiß es der 12-Jährige natürlich bereits besser und hält mit seinem Wissen nicht hinter dem Berg. Schade eigentlich. Wir legen eine Pause auf dem Picknick-Areal ein und faulenzen ein bisschen. Schließlich müssen wir unsere Kräfte einteilen.

Einfach immer der Neugier nach

Alle vier Kinder treffen sich danach an der Wipp-Pumpe. Das ist gut so, denn wir brauchen wirklich jede Unterstützung, um das Wasser aufzunehmen und ins Auffangbecken zu pumpen. Teamwork ist gefragt. Und so oft die Geschwister sich im Alltag auch uneinig sind, wissen sie doch, wann es darauf ankommt, zusammenzuhalten. Mit dem Körpergewicht von vier Kindern im Alter von 6 bis 12 Jahren und der Hilfe meines Körpergewichts für den Jüngsten bekommen wir den Schlauch so bewegt, dass das Wasser aus dem Teich nach oben transportiert wird. Wer muss zuerst wippen, damit das Ganze gelingt? Das erfahren wir durch Ausprobieren. Wissenschaft spielerisch und lehrreich zugleich zu erleben, dafür bietet das Technorama mit seinen Experimentierstationen schier unendliche Möglichkeiten. Wohin als nächstes? Diese Frage stellt sich immer wieder und da wir zu fünft sind, ist Kompromissfindung angesagt. „Folgen Sie Ihrer Neugier“, empfiehlt das Technorama auf seiner Internetseite. Nach dem Bauchgefühl entscheiden und sich von der Freude am Experimentieren und Spielen leiten lassen, lautet der Tipp. Und das tun wir.

Abgetaucht in einer Wolke

Bis zu unserem Abstecher auf die Wunderbrücke bin ich meinem Ziel, die Kinder trocken durch unseren Besuch zu bringen, noch ziemlich nah. Über vier unterschiedlich geneigte Treppen gelangen wir auf die Plattform. Der Blick von hier oben ist beeindruckend, weil er nicht nur über Winterthur, sondern über die gesamte Region bis in die Alpen schweifen kann. Das gilt erst recht, als wir den Tiefenverstärker nutzen: Er vergrößert künstlich unseren Augenabstand auf fast 3 Meter und vermittelt damit unserem Gehirn den Eindruck einer geschrumpften Welt mit einer ungewohnt verstärkten Tiefenwahrnehmung. Unten angekommen entdecken die Kinder zunächst den Wasserhüpfer und jagen den Wasserbögen nach, die vor ihnen von einer Seite zur anderen springen. Für die Wassermusik, den Wasserwirbel oder das Wildwasserrad – alles Exponate, bei denen sie weitgehend trocken bleiben würden – kann ich sie nur kurz begeistern. Denn längst haben sie die eingefangene Wolke entdeckt. Und spätestens da ist es vorbei mit dem Trockenbleiben. Ich wundere mich nicht: Wo ist es schon möglich, einer echten Wolke hautnah zu begegnen und sie mit Haut und Haar zu begreifen? Die Wolke aus feinem Sprühnebel entsteht zwischen zwei Halbschalen und lässt sich ganz einfach durchlaufen. Nein. Sie ließe sich ganz einfach durchlaufen. Eigentlich. Tatsächlich bleiben alle Kinder in der Mitte stehen, testen ihre Orientierungssinne, wenn ihnen der Nebel die Sicht nimmt, und beobachten begeistert, wie die feinen Wassertröpfchen sich an ihren Haaren festhalten. Spätestens jetzt weiß ich, wofür die beiden Trockner am Eingang zum Außenbereich gedacht sind. Sie leisten ganze Arbeit und nach kurzer Zeit sind alle Kinder wieder trocken. Jetzt, wo wir schon mal drinnen sind, wollen sie natürlich auch hier noch auf Entdeckungstour gehen.

Wiederholungstäter aus Überzeugung

Nachdem wir mit den letzten Besuchern das Technorama am späten Nachmittag verlassen haben, stellen die Kinder dieselbe Frage wie schon nach unserem letzten Besuch: „Wann fahren wir das nächste Mal ins Technorama?“. Anscheinend haben sie noch längst nicht genug ausprobiert, experimentiert, gelernt und erfahren. Also werden wir weiter unserer Neugier folgen und uns durch den Innen- und Außenbereich treiben lassen – wohl wissend, dass wir ohnehin nie alles auf einmal werden sehen können. Und warum auch? Wir haben ja Zeit.

Heike Thissen lebt mit ihrer Familie in Konstanz. Schon als Kind wünschte sie sich, später einmal in der Vierländerregion zu wohnen – und das, obwohl sie im schönen Oberbayern aufwuchs. Ihren Traum von damals hat sie wahr gemacht und schreibt seither als Journalistin und Autorin am liebsten über die Bodenseeregion und das, was sie so besonders macht.

Mit Freunden teilen: