Eines der vielen Dinge, die ich am Muttersein so liebe, ist, wie meine Kinder meinen Blick auf die Welt verändern. Eines der wenigen Dinge, die ich am Muttersein NICHT mag, ist, wie mich meine Kinder immer wieder daran erinnern, was ich alles nicht weiß. Über unser Klima und seinen Wandel zum Beispiel. Umso dankbarer bin ich für Möglichkeiten, meine manchmal doch erschreckend großen Wissenslücken zu schließen und dabei auch noch Spaß zu haben. Und genau deswegen bin ich so begeistert von der Mitmach-Ausstellung „Umwelt, Klima & DU“ im Ravensburger Museum Humpis-Quartier! Denn nicht nur meine drei Kinder erfahren hier eine ganze Menge Neues, sondern auch wir Eltern.

Wie Klima und Umwelt mit uns zusammenhängen – spannend erklärt im Humpis-Quartier
Drängende Fragen der Gegenwart und der Zukunft
Die Mitmach-Ausstellung gehört zur Sonderausstellung „Von der Kleinen Eiszeit ins Anthropozän. Klimawandel in Ravensburg 1350 – 2050“, die noch bis 2. Oktober 2022 in dem spätmittelalterlichen Wohnquartier der Fernhändlerfamilie Humpis zu sehen ist. Vom Bodensee sind wir schnell und unkompliziert in der oberschwäbischen Stadt angekommen. Erst bummeln wir ein bisschen durch die malerische Oberstadt, dann dränge ich meinen Mann und die drei Kinder zum Museumsbesuch. Denn nach allem, was ich über die Ausstellung gelesen habe, bin ich gespannt wie ein Flitzebogen. Immerhin gehen die Fragen der Gegenwart und der Zukunft, die dort behandelt werden, uns alle an. Außerdem wurde die Mitmach-Ausstellung "Umwelt, Klima & DU" vom Jungen Museum Frankfurt entwickelt, was in meinen Augen schon mal ein nicht zu unterschätzendes Qualitätsmerkmal ist, und ist jetzt das erste Mal außerhalb der Mainmetropole zu sehen.
Komplexe Vorgänge anschaulich erklärt
Ich will meinen Kindern keine Angst vor ihrer eigenen Zukunft machen. Und doch finde ich es wichtig, dass sie gut darüber informiert sind, welche Herausforderungen auf sie und ihre Generation warten. Dazu passt die Ausstellung ideal: Sie kommt ohne Panikmache aus, macht aber doch auf die Dringlichkeit aufmerksam, die herrscht. Die mit viel Akribie und Liebe fürs Detail entworfenen Exponate verdeutlichen anschaulich, in welchen Wechselwirkungen die unterschiedlichen Prozesse des Klimawandels miteinander stehen. Sie gehen aber auch darauf ein, wie Nachhaltigkeit in Verbindung mit neuen gesellschaftlichen Bewegungen funktioniert. Und – für mich als Journalistin nicht unerheblich – sie beziehen sozial-ökologische Forschungsergebnisse mit ein. Nicht nur den Kindern, sondern auch mir hilft die Ausstellung dabei, komplexe Vorgänge einzuordnen und zu verstehen, welche Zusammenhänge zwischen Ökosystemen und Klimawandel bestehen.


Beim Mitmachen lernt es sich besser
Während ich mich in die geschriebenen Informationen vertiefe und so manchen Aha-Moment erlebe, kümmern sich meine Kinder um die Hands-on Stationen. In den drei Bereichen „Nachhaltigkeit“, „Biodiversität“ und „Klima“ können sie selbst aktiv werden, entdecken und das eigene Wissen spielerisch auf die Probe stellen. Mit Hilfe einer Waage und Gewichten, die den CO2-Ausstoß darstellen, messen sie ihren ökologischen Fußabdruck und staunen darüber, wie sich die Bilanz verändert, wenn sie unseren letzten Pfingsturlaub in Italien mit in die Rechnung einbeziehen. An einer anderen Station erstellen sie einen eigenen Wetterbericht und präsentieren ihn uns stolz. Am Ende des Tages wissen wir alle, wie genau Treibhausgase entstehen, wie sich Klimazonen verändern und welche Veränderungen uns bevorstehen, wenn die Erderwärmung weiter ansteigt. Wir sind uns bewusst, welche Gefahren durch die schwindende Artenvielfalt drohen und welche Rolle sogenannte Schlüsselarten spielen. Besonders beeindruckend fanden wir alle den Bereich „Nachhaltigkeit“. Woher kommen unsere Gebrauchsgegenstände? Wie wird unser Essen produziert? Und wie gelangt es zu uns an den Bodensee? Natürlich weiß ich (eigentlich) längst, worauf es bei Nachhaltigkeit ankommt. Die Ausstellung hilft mir trotzdem auf die Sprünge, was das Umsetzen angeht.


Das Klima von seiner kulturhistorischen Seite betrachtet
Während die Kinder im Anschluss ihr wohlverdientes Eis draußen in der Oberstadt essen, sehe ich mir noch die Sonderausstellung an, deren Bestandteil „Umwelt, Klima & DU“ ist. Sie geht das Thema „Klima“ von der kulturhistorischen Seite her an – ein Blickwinkel, wie ich ihn in dieser Form bislang noch nicht präsentiert bekommen habe. Denn dieser Bereich des Museums Humpis-Quartier spannt den Bogen von einer im 14. Jahrhundert einsetzenden langanhaltenden Klimaverschlechterung hin zum sogenannten Anthropozän, dem Zeitalter ab dem nachweislichen Beginn der menschengemachten Erderwärmung. Im Fokus stehen dabei die sozialen, kulturellen und ökonomischen Folgen von Klimaschwankungen und Wetterereignissen in Ravensburg und Umgebung. Ich werde daran erinnert, dass im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit ein mythisches Weltbild, Glaube und Aberglaube die Vorstellungen von Klima- und Wetterphänomenen prägten. Was uns heute kaum noch vorstellbar erscheint, war für die Menschen damals eine Tatsache.


Das Wetter und sein Einfluss auf die Ravensburger
Dass die Verehrung von Wetterheiligen oder der Weißenauer Heilig-Blut-Reliquie für gutes Wetter sorgt, zum Beispiel. Dass nach Wetterkatastrophen entweder nach einem Sündenbock gesucht werden musste oder sie als göttliches Strafgericht hingenommen werden mussten. Spannend – und weniger abwegig aus heutiger Sicht – finde ich hingegen die Orientierung an Wetterregeln und an Himmelszeichen. Erst, als die antike Astronomie wiederentdeckt wurde, sich die modernen Wissenschaften herausbildeten und die Welt exakt vermessen wurde, schwand die kirchliche Deutungsmacht. Blitzableiter, meteorologische Messgeräte und Landkarten demonstrieren, wie sich Aufklärung und Forschung allmählich in der Gesellschaft verankerten. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts veränderten sich Ravensburg und seine Umwelt in wenigen Jahrzehnten dann grundlegend. Etliche Exponate veranschaulichen die Ursachen des beschleunigten Klimawandels im Zuge der Industrialisierung. Als ich die Sonderausstellung verlasse, fühle ich mich hervorragend und umfassend informiert. Auf dem Nachhauseweg besprechen wir als Familie, wo in unserem Alltag noch Luft nach oben ist, was zum Beispiel die Nachhaltigkeit, Biodiversität und Klima angeht. Und gleich nach Ankunft zuhause säen wir eine Wildblumenwiese in unserem Schrebergarten an, um den Insekten ein Festessen zu bereiten.
Heike Thissen lebt mit ihrer Familie in Konstanz. Schon als Kind wünschte sie sich, später einmal in der Vierländerregion zu wohnen – und das, obwohl sie im schönen Oberbayern aufwuchs. Ihren Traum von damals hat sie wahr gemacht und schreibt seither als Journalistin und Autorin am liebsten über die Bodenseeregion und das, was sie so besonders macht.